Johannes Ganzenmüller

Wochenendtrip in die Quarantäne

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Meine Familie ist zwischen Keltern, Freiburg und Berlin verteilt, daher ist ein gemeinsames Treffen nicht so einfach möglich und so kam es, dass wir letztes Weihnachten leider nicht gemeinsam verbringen konnten. Als Ersatz wollten wir ein gemeinsames Familienwochenende verbringen, doch es sollte ganz anders kommen.

Am 13. März ging es spät nachmittags mit dem Flieger nach Baden-Württemberg zu meinen Eltern. Am Tag darauf wollten wir uns dann mit meinem großen Bruder und seiner Familie im Schwarzwald treffen, zumindest bis meine Freundin um 22:56 Uhr eine Mail von ihrer Sprachschule mit folgendem Inhalt bekommen hat:

(...) wegen positiven COVID-19 Fälle sind wir vom Gesundheitsamt angewiesen, folgende Informationen weiterzuleiten:

Alle Mitarbeiterinnen und Schülerinnen, die sich vom 02.03.2020 – 05.03.2020 in unserem Räumlichkeiten aufgehalten haben, müssen bis inkl. 19.03. in häuslicher Quarantäne bleiben. (...)

So eine Mail reißt einen gleich wieder aus dem Halbschlaf und stellt einen vor viele Unklarheiten, denn eigentlich wollten wir ja mit anderen etwas unternehmen und am übernächsten Tag zurückfliegen. Mal spontan den Trip um 4-5 Tage zu verlängern ist mit einem Kater in Berlin, der viel umsorgt werden will und Aufmerksamkeit braucht, nicht ganz so einfach. Mal abgesehen davon, dass wir beide nur Klamotten für ein Drittel der Dauer gepackt haben. Mit jeder Überlegung kamen mehr Fragen auf, so wirklich konnte man jedoch keine davon nachts klären. An erholsamen Schlaf war aber auch nicht mehr wirklich zu denken.

Am nächsten Morgen erst einmal das Offensichtlichste geklärt: Der Schwarzwaldausflug fällt aus und mein Bruder kommt mit seiner Frau und Tochter nicht. Abgesehen davon, dass sie eine Risikogruppe sind, arbeiten beide im Gesundheitssektor und da muss man jetzt nichts riskieren. Meine Oma, die ich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen habe, hätte ich an dem Wochenende auch sehr gerne besucht, aber abgesehen davon, dass das Altenheim nun ein 4-wöchiges Besuchsverbot hat, hätte ich es angesichts der Lage aber auch nicht gemacht. Denn selbst, wenn ich zu dem Zeitpunkt die Maßnahmen eher belächelt habe, schließlich haben wir beide keine Symptome gezeigt und der 2-5. März war schon etliche Tage her, muss man es nicht herausfordern und es geht eben nicht immer um mich oder das was ich will. 100% sicher, dass man das Virus nicht hat, beziehungsweise übertragen kann, kann man eben auch nicht sein.

Den restlichen Tag hab ich mehrfach versucht die Berliner Corona-Hotline anzurufen, was jedoch nie von Erfolg gekrönt war und dazu führte, dass unser Hoffnungsschimmer, am nächsten Tag doch nach Hause fliegen zu dürfen, immer weiter schrumpfte. Auch die unzähligen Nachrichten, die quasi im 30-Minuten-Takt auf dem Handy erschienen, haben nicht gerade dazu beigetragen: Nach und nach hat jedes Bundesland die Schulen geschlossen, manche EU-Länder machten die Staatsgrenzen dicht und Ausgangssperren wurden verhängt.

Das Beste draus machen

Hätten wir die Mail der Sprachschule ein paar Stunden früher bekommen oder hätten wir es absehen können, dass sich die Lage so extrem zuspitzt, wären wir wohl erst gar nicht geflogen. Da wir es aber sind, kann man dann nur das Beste aus der Lage zu machen und immerhin konnte ich wieder Zeit mit meinen Eltern verbringen ...und wenn wir mal ehrlich sind, gibt es schlimmere Orte für eine Quarantäne als bei den Eltern mit leckerem Essen im Überfluss :P

Weil wir bei der Hotline niemanden erreicht hatten und uns an die Vorschriften halten wollten, hatten wir also keine andere Wahl als unser Wochenendtrip um 5 Tage zu verlängern und die kommende Woche vom Süden Deutschlands aus zu arbeiten. Nachdem der WLAN-Router und die Netzwerkverschlüsselung aktualisiert waren, konnte ich mit meinem Laptop auch auf das Internet zugreifen und dem "Homeoffice" stand damit nichts mehr im Weg. Auch den Rückflug konnten wir sehr einfach und sogar ohne Umbuchungsgebühr verschieben. Die Kundenfreundlichkeit der Airline hat mich schon beeindruckt, gerade von einer Low-Cost-Fluggesellschaft, die in nächster Zeit sowieso schon enorme Umsatzeinbusse in Kauf nehmen muss, sehe ich das als nicht selbstverständlich an.

Am Montag ging es mit der Gefühlsachterbahn weiter: Am Vormittag poppte die Nachricht "Baden-Württemberg will Flughäfen schließen" auf dem Handy auf. Gleich schießen einem 1000 Fragen durch den Kopf. Ab wann soll es gelten? Werden wir am Freitag noch nach Hause fliegen können? Wenn nein, welche Möglichkeiten gibt es? Wie sehen die nächsten Einschränkungen aus? Kommen wir in nächster Zeit überhaupt noch zurück nach Berlin?

Am späten Nachmittag kam dann eine Mail, die Jubelschreie ausgelöst hat: Für jeden, der noch nicht vom Gesundheitsamt kontaktiert worden ist, wird die Quarantäne aufgehoben, was für uns hieß, dass wir nach Hause dürfen. Und das angesichts der drohenden Flughafenschließung auch schleunigst machen sollten. Glücklicherweise gab es an dem Abend auch noch einen Flug, auf den wir umbuchen konnten und ein paar Stunden später waren wir dann auch wirklich wieder zu Hause, wo wir jetzt auch eine Weile bleiben und der kommenden Dinge harren.

P.S.: Auch wenn der Flieger vor uns noch etliche Urlauber nach Thessaloniki gebracht hat, fällt mein Slowenien-Trip leider aus. Mittlerweile wurde der Flug zwar gestrichen, aber auch sonst hätte ich es als unverantwortlich angesehen aktuell in die Nähe des schwer betroffenen Norditaliens zu reisen.