Johannes Ganzenmüller

Zugfahrten in Indien

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Es gibt ja die grausigsten Geschichten, Vorstellungen und Bilder über Zugfahren in Indien, wirklich bestätigen kann ich aber keine. Zugegeben, ich bin meistens in der „versnobten“ Touri-Klasse gefahren, aber auch für die einfache Klasse muss man sich begrenzte Tickets kaufen. Kommt man zu spät, landet man auf Wartelisten. Bis kurz vor der Abreise weiß man dann nicht, ob man mitfahren darf oder erneut ein Kampf um die Tickets antreten muss. Und ich mein wirklich Kampf: Entweder man hat Glück und es gibt noch etwas aus dem Touri-Kontingent, dass man abzwacken kann. Bedeutet aber wiederum Unmengen Papier auszufüllen oder man wagt sich Mitten in das Gedränge an den Ticketschaltern…Punk-Konzert-Erfahrung von Vorteil.

Ich hatte auch immer das Glück, dass ich mit Zügen gefahren bin, die von dem Bahnhof oder nicht weit entfernt losgefahren sind. Andere Reisende, die ich getroffen habe, hatten dies nicht und mussten teilweise 7h auf ihren gewünschten Zug warten. Ich werde jetzt aber als Deutscher nicht sagen, dass das in der Heimat nicht auch vorkommen kann xD.

Einzig über den Komfort lässt sich streiten, in den einfachen Klassen gibt es nur Holzbänke, in den Touristenklassen ist dann die Sitz- bzw. Schlafgelegenheit doch schon etwas gepolstert. In der Touri-Schlafklasse bekommt man sogar noch ein Kissen und eine Decke gereicht, ich hätte nicht gedacht, dass es überhaupt Decken in Indien gibt 😛
Irgendwie hab ich Nachtzüge lieb gewonnen, man befindet sich davor spät abends in einem komplett überfüllten Bahnhof zwischen Menschen und Tieren. Trotz der Geisterszenerie sind es eine der wenigen Momente, in denen man etwas Ruhe von allem Trubel hat und etwas entspannen kann.
Die meisten Inder liegen querbeet in der Bahnhofshalle und schlafen, man selbst hat zwar anstrengende Tage in den Knochen, zwingt sich aber wach zu bleiben, gab ja genug Leute die einen auf Diebe und Halunken hingewiesen haben. Und so konzentriert man sich auf die herum laufenden Tiere: Kühe die über Gleise oder Überführungen zwischen den Bahnsteigen hin und her wechseln, Ratten die versuchen etwas Essbares aus dem Müll zu ergattern, oder Affen, die sich von Leitung zu Leitung schwingen, es ist praktisch immer etwas geboten. Wenn der Zug dann endlich einfährt, freut man sich schon darauf sich gleich irgendwo hinzulegen und mit gutem Gewissen einschlafen zu können.

Persönlich hatte ich nie Probleme mit Zugfahrten, auch war es immer erlebnisreich und interessant, wenn man nicht geschlafen hat. Bei einer Zugfahrt war ein Gefangenentransport an Bord. Die Hände des bösen Buben waren mit einem dicken Seil gefesselt, was ein Polizist gehalten hat während der andere mit dem Weltkriegs-Karabiner aufpasste. Hatte alles einen leicht surrealen Eindruck und man fühlte sich gleich ein paar Jahrzehnte zurückversetzt.

Problematisch ist nur zu wissen, wann man aussteigen muss. Einen richtigen Fahrplan gibt es nicht und Stationen zählen macht bei einer 10h Fahrt nicht wirklich Sinn 😉 Also Leute anquatschen und Personen suchen, die auch an der Station rausmüssen, klappt meist ziemlich gut. Man kommt aber in eine kleine Zwickmühle, wenn diese irgendwann meinen der aktuelle Zug würde schleichen und deshalb auf einen anderen Zug aufspringen, angehalten hat wohlgemerkt keiner der Züge gehabt…aber ok wirklich schnell waren die auch nicht 😀